Unterkunft für Geflüchtete mit zwei Betten: Symbolbild für Debatte um LEA in Fellbach

Fronten bleiben verhärtet

Nach Sondersitzung: Fellbach als LEA-Standort weiter möglich

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Olga Henich
Olga Henich

Das Land prüft eine Landeserstaufnahmestelle für Geflüchtete in Fellbach. Dagegen gibt es Protest. Auch nach einer Sondersitzung am Dienstagabend bleiben viele Fragen offen.

Der Streit um eine neue Landeserstaufnahmestelle (LEA) für rund 1.000 Geflüchtete in Fellbach (Rems-Murr-Kreis) geht weiter. Ob sich das Fellbacher Gewerbegebiet dafür eignet, bleibt weiterhin unklar. Wann eine Entscheidung dazu fällt, ebenso. Laut Vertretern des Regierungspräsidiums Stuttgart kann das Prüfverfahren noch Monate dauern.

Öffentliche Sondersitzung in Fellbach

Die Stadt Fellbach fühlt sich bei dem Vorhaben übergangen und protestiert dagegen. Das machte Oberbürgermeisterin Gabriele Zull (parteilos) am Dienstagabend auch in einer öffentlichen Sondersitzung im Fellbacher Rathaus deutlich. "Die Bürgerschaft sollte schon bei den Plänen beteiligt werden und nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden", so Zull. Die Stadträtinnen und Stadträte kritisierten das Verfahren des Migrationsministeriums ebenso scharf. Knapp 400 Bürgerinnen und Bürger, die zur öffentlichen Sondersitzung kamen, gaben ihnen durch Applaus Rückendeckung. Vertreter des Regierungspräsidiums Stuttgart mussten sich den Fragen und Einwänden des Gemeinderats stellen.

Öffentliche Sondersitzung im Fellbacher Rathaus mit Oberbürgermeisterin Zull, Gemeinderat und Regierungspräsidium zu den Plänen einer LEA in Fellbach.
Auch nach der öffentlichen Sondersitzung am Dienstag bleiben in Fellbach viele Frage offen. Das Regierungspräsidium Stuttgart prüfe nach wie vor, ob das Gewerbegebiet in Fellbach für eine Landeserstaufnahmestelle geeignet ist.

Oberbürgermeisterin Zull lehnt LEA in Fellbach ab

Die Oberbürgermeisterin betonte bei der Sondersitzung erneut, dass die Stadt eine LEA im Fellbacher Gewerbegebiet zwischen der Stuttgarter Straße und der Bahnlinie ablehne. Einer der Gründe dafür sei, dass die Grundstücke nicht zusammenhängend seien. Das heißt, dass die LEA auf mehrere Gebäude verteilt wäre. Ebenso fehlten auf dem Gelände Freiflächen für die Geflüchteten, um sich auch außerhalb der Zimmer aufhalten zu können. Das würde den Menschen nicht gerecht, sagte Zull.

Bis zu 1.000 Menschen auf engsten Raum auf einem Gewerbegebiet ohne Freifläche unterzubringen, ist absurd.

Zum anderen erwähnte die Oberbürgermeisterin, dass Fellbach im Vergleich zu anderen Gemeinden und Städten eine relativ kleine Kommune mit hoher Dichte an Menschen sei. Deshalb müsse die Gemeinde mit ihren Flächen gut haushalten. Für das Gewerbegebiet habe Fellbach bereits vor Jahren eigene Pläne entwickelt, um hier Gewerbe- und landwirtschaftliche Flächen anzusiedeln. Bei der Unterbringung von Geflüchteten habe die Stadt bereits vorbildliche Arbeit geleistet, so Zull. Die Stadt verfügt nach eigenen Angaben bereits über 14 Unterkünfte für 1.000 Geflüchtete und drei weitere Gemeinschaftsunterkünfte im Landkreis. Die Verwaltung einer LEA mit bis zu 1.000 Menschen würde das bestehende System mit vielen motivierten Mitarbeitenden massiv schwächen, so die Oberbürgermeisterin.

Fellbach droht mit Ausstieg aus der IBA

Die Stadt Fellbach möchte das etwa 110 Hektar große Areal unter anderem für Projekte der Internationalen Bauausstellung der Stadtregion Stuttgart (IBA'27) nutzen. Ein Flüchtlingszentrum würde das betroffene Gewerbegebiet zerteilen und diese Projekte blockieren, sagt Zull. Unter anderem auch, weil Investoren abspringen würden, sobald die Pläne für eine LEA in Fellbach ins Gespräch gekommen sind. Zull warnt deshalb, dass Fellbach aus den IBA-Planungen aussteigt, wenn eine LEA kommt.

Kommt die LEA, wird die IBA in Fellbach hinfällig.

Aus Sicht des Regierungspräsidiums und des Migrationsministeriums sprechen aber auch die IBA-Pläne nicht gegen die Einrichtung einer LEA in Fellbach. Der Leiter des Referats für Ankunftszentrum, Aufnahme und Ausländerbehörde Markus Rothfuß betont, dass man durch Heidelberg bereits Erfahrungen habe, die Planungen für eine LEA und IBA zu vereinen. Das Land sei in Not, Standorte für neue Ankunftszentren für Geflüchtete zu finden. Grund für die Dringlichkeit sei, dass die LEA in Ellwangen Ende 2025 schließen wird und es aktuell so viele Geflüchtete gebe wie noch nie. Insgesamt werden landesweit Plätze für 9.000 Menschen benötigt.

Aktuell sind mehr Menschen denn je auf der Flucht und als Land haben wir die Verpflichtung, Schutzsuchende aufzunehmen.

Ministerien: LEA benötigt keine Zustimmung der Kommune

Schon im Vorfeld hat die Oberbürgermeisterin kritisiert, dass sie von den Plänen des Landes im Februar durch Zufall aus der Presse erfahren habe. Eine Anfrage der Landesregierung zu einer LEA liege nicht vor, teilte die Stadtverwaltung mit. In einem offenen Brief an Justizministerin Marion Gentges (CDU) hat sie mehr Informationen zu dem Prüfungsverfahren eingefordert.

Das Gelände in der Erich-Herion-Straße in Fellbach könnte eine LEA eröffnet werden. Das ehemalige Unternehmensgebäude biete zwar Büroräume für den Umbau, dafür aber nicht genügend Freiflächen für Geflüchtete, so die Stadt.
Auf diesem Gelände in der Erich-Herion-Straße in Fellbach könnte eine LEA eröffnet werden. Das ehemalige Unternehmensgebäude biete zwar Büroräume für den Umbau, dafür aber nicht genügend Freiflächen für Geflüchtete, so die Stadt.

Trotz der Proteste seitens der Oberbürgermeisterin und der Stadträte bleibt Fellbach als möglicher Standort weiterhin im Rennen. Thomas Deines, Referatsleiter für Flüchtlingsaufnahme und Integrationsförderung beim Regierungspräsidium Stuttgart sagt, dass man sich in Fellbach noch mitten in der intensiven Prüfungsphase befinde. "Wie lange die Beurteilung noch dauert, kann man nicht sagen, da jedes Gebäude und jede Fläche anders sind", so Deines. Wie das Migrations- und Finanzministerium kürzlich mitteilte, könnten Landeserstaufnahmestellen rechtlich gesehen auch ohne die Zustimmung der Kommune eingerichtet werden

Weitere Standorte werden geprüft

Aktuell werden in der Region Stuttgart neben dem Gewerbegebiet in Fellbach auch der seit 2009 leer stehende Eiermann-Campus am Stadtrand von Stuttgart, ein Klinikareal in Böblingen und das unbebaute Gebiet Schanzacker in Ludwigsburg geprüft.

Überdies hat die Landesregierung am Dienstag angekündigt, dass sie drei weitere Standorte für mögliche Landeserstaufnahmeeinrichtungen prüfen will. Die Standorte befinden sich alle in Stuttgart und sind Liegenschaften des Landes. Es handelt sich dabei um ein Gebäude, in dem momentan das Statistische Landesamt untergebracht ist. Außerdem um zwei weitere Standorte in den Stadtteilen Stuttgart-Obertürkheim und Stuttgart-Weilimdorf. Das Ministerium betonte, die Verfahren seien wie im Fall von Fellbach alle noch ergebnisoffen.

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